Den Reichen und Mächtigen war es immer schon wichtig, ihre herausragende Stellung auf allen Ebenen sichtbar zu machen. Neben dem Erlangen von Titeln und Funktionen gelang dies am eindrucksvollsten mit stattlichen Anwesen, erlesenen Kunstwerken und ab dem 16. Jahrhundert vermehrt auch durch das Sammeln, Präsentieren und Konsumieren exotischer Pflanzen und Früchte.
Angetrieben durch die Entdeckungsfahrten erreichte die Sammelleidenschaft von als exotisch empfundenen Zier- und Nutzpflanzen in Zeiten der Kolonialisierung einen ungeahnten Höhepunkt. Auch die Habsburger wollten den konkurrierenden Herrscherhäusern diesbezüglich um nichts nachstehen. Mit großem finanziellen Aufwand wurden Gewächshäuser errichtet und betrieben. Ermöglicht durch neue Technologien aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung wurden dann auch hierzulande wagemutige Konstruktionen aus Eisen und Glas errichtet, in denen Pflanzen ganzjährig kultiviert werden konnten. Die Sammlungen wurden nun vor allem um große Mengen tropischer Pflanzen erweitert.
Die weite Welt kommt in die Berge
Im 19. Jahrhundert war es dann soweit: Im Zuge der Umgestaltung des Innsbrucker Hofgartens in einen Englischen Landschaftsgarten sollte auch ein öffentlich zugängliches Glashaus errichtet werden. Es war jedoch nicht das erste Gebäude zur Überwinterung nicht frostfester Pflanzen im Innsbrucker Hofgarten. Bereits im 18. Jahrhundert schmückten Zitruspflanzen den Garten und wurden in einem kleinen Treibhaus überwintert, das sich im durch Mauern abgetrennten gärtnerischen Bereich des Blumengartens an der südwestlichen Gartengrenze befand. Um 1810 wurde dieses Haus durch ein größeres Glashaus in der neu angelegten Treiberei am südöstlichen Rand des Gartens ersetzt. Bis auf die gläserne Südfassade hatte dieses Gebäude ein Steinmauerwerk. Es umfasste zwei Klimazonen und war mit Lohbeeten zum Treiben von besonders wärmeliebenden Pflanzen ausgestattet.
An der diagonal entgegengesetzten, nordwestlichen Gartengrenze wurde schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts ein neues, modernes Glashaus geplant. Die offizielle Ankündigung, dass „an der unteren Mauer des k. u. k. Hofgartens ein großartiges Glashaus mit gusseisernen Pfeilern erbaut werden soll“, erfolgte am 11. April 1857 in den Innsbrucker Nachrichten. Nach der Fertigstellung wurde im Bothen für Tirol und Vorarlberg am 12. April 1860 die erste Blumenausstellung angekündigt. Das alte Glashaus wurde nun abgetragen. Die folgenden Ausstellungen brachten – botanisch gesehen – die weite Welt nach Innsbruck und zogen jeweils tausende Menschen in ihren Bann.
Mit dem Untergang der Donaumonarchie ging der Innsbrucker Hofgarten mit dem Glashaus in den Besitz der neu gegründeten Republik über und wird seither von den Österreichischen Bundesgärten verwaltet. In den 1940er- und 1950er-Jahren wartete eine Besonderheit auf die Besucherinnen und Besucher: Neben den exotischen Pflanzen konnten regelmäßig Tierausstellungen besucht werden. Organisiert wurden diese von Hans Psenner, welcher 1962 den Innsbrucker Alpenzoo gründete.
Neubau und Zweckmäßigkeit der Nachkriegsmoderne
Als sich Ende der 1950er die Frage stellte, ob das in die Jahre gekommene Glashaus renoviert oder neu aufgebaut werden sollte, fiel die Entscheidung entsprechend dem damaligen Zeitgeist für einen Neubau. 1960 wurde das alte Glashaus abgerissen und 1961 an derselben Stelle ein funktional und zweckmäßig anmutendes Palmenhaus im Stil der Nachkriegsmoderne errichtet. Bestand das alte Glashaus noch aus zwei Abteilungen, einem Kalthaus und einem Warmhaus, so verfügt das neue Palmenhaus mit dem zusätzlichen temperierten Haus über eine dritte Abteilung, was seither die Kultur weiterer Pflanzen ermöglicht. 1964 wurde nachträglich noch ein Becken für die anspruchsvolle Riesenseerose Victoria eingebaut und seit 1965 dort regelmäßig zum Blühen gebracht.
Innsbrucker Pflanzensammlung in Zahlen
Im Innsbrucker Palmenhaus werden heute 1.759 Pflanzenarten aus 591 Pflanzengattungen, welche wiederum 155 Pflanzenfamilien zuzuordnen sind, kultiviert. Auf einer Fläche von 460 Quadratmetern über drei Ebenen gibt es bis zu 9.000 Pflanzen von fünf Kontinenten zu entdecken – darunter ein Kakao-, ein Bananen- und ein Kaffeebaum, eine echte Vanille, eine Königin der Nacht sowie andere rankende Kakteen und viele mehr. Das Palmenhaus kann mit und ohne Führungen besichtigt werden – ein Besuch lohnt sich.
Helmut Wahler