Ab Mitte des 16. Jahrhunderts entstand nördlich der Alpen ein immer größeres Interesse an der Kultivierung von Pflanzen aus mediterranen Gebieten. Diese sind in der Regel nicht winterhart und erfordern daher eine frostfreie Überwinterung. Es mussten Möglichkeiten gefunden werden, diese Bedingungen künstlich zu erzeugen. Um die Pflanzen vor den niedrigen Temperaturen und winterlichen Wetterverhältnissen zu schützen, errichtete man anfangs noch provisorische Konstruktionen aus Holz, so genannte abschlagbare Pomeranzenhäuser. Die Gewächse wurden ausgepflanzt und die Überwinterungshäuser im Herbst über den Pflanzen auf- und im Frühling wieder abgebaut.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts lösten fest errichtete Bauten diese Holzkonstruktionen ab, in denen die nun in beweglichen Gefäßen kultivierten Pflanzen den Winter verbrachten. Grund für die Entwicklung dieser neuen Bauaufgabe der Orangeriegebäude war die Tatsache, dass der Aufwand des Auf- und Abbauens dauerhaft zu hoch war, die Holzschuppen ähnelnden Winterungen nicht mehr den ästhetischen Anforderungen der Barockgärten entsprachen und die ausgepflanzten Gewächse nicht für dekorative Zwecke an verschiedenen Orten im Garten eingesetzt werden konnten.
Dennoch bestand ein weiteres Problem: das Beheizen oder besser gesagt Temperieren der Gebäude. Anfangs geschah das meist durch offene Feuerstellen, Kohlepfannen oder einzelne Öfen. Dadurch war jedoch die Gebäudegröße beschränkt, die Wärme wurde ungleichmäßig verteilt, Brände konnten entstehen und das austretende Rauchgas verschlechterte die Luftqualität dramatisch. All das hatte Pflanzenschäden zur Folge und bot kein ideales Überwinterungsklima. Es mussten neue Lösungen gefunden werden.
Die Rauchkanalheizung
Um 1715 begann sich ein neues System durchzusetzen, die Rauchkanalheizung. Dieses Heizsystem wurde auch im Orangeriegebäude im Schlosspark Schönbrunn eingebaut und temperiert bis heute die Überwinterungshalle. Die Kanalheizung wurde aus der römischen Hypokaustenheizung entwickelt und basiert somit auf einer sehr alten Methode (griechisch: hypokaíein „darunter anzünden, darunter verbrennen“). Von einer unterirdischen Feuerstelle aus strömt die heiße Abluft durch einen Hohlraum unter dem Fußboden. Dadurch werden die steinernen oder tönernen Fußbodenplatten erhitzt und geben die Wärme an den Raum ab.
Im Orangeriegebäude führen von der sich an der Rückwand befindenden Feuerstelle Kanäle quer durch das Gebäude nach vorn, dann entlang der Fensterfront und schließlich wieder zurück zur Rückwand in den Rauchfang. Die Kanäle sind mit wärmeleitenden Ziegeln, Stein- oder Metallplatten abgedeckt. Durch diese Kanäle wird die Abluft von der als „Wolf“ bezeichneten Feuerstelle durchgeleitet. Streng genommen sind die Rauchkanäle ein in den Boden verlegter, verlängerter Rauchfang. Die Feuerstellen sind meist über einen schmalen an der Rückwand des Gebäudes gelegenen Heizgang zu erreichen.
Das Schönbrunner Orangeriegebäude wurde zunächst mit einzelnen Öfen temperiert, die in den Rundnischen an der Nordseite der Pflanzenhalle standen. Wohl aufgrund der ungleichmäßigen Wärmeverteilung wurde bald eine Rauchkanalheizung eingebaut. In sechs rückseitigen Nischen wurden unterirdische Brennkammern eingebaut. Die beiden an den Gebäudeenden liegenden Brennkammern weisen nur einen Ofen auf, die mittleren vier Kammern jeweils zwei Öfen, von denen die Kanäle abgehen. Die Kanäle sind mit gusseisernen Platten abgedeckt. Die Wärme wird von diesen Gusseisenplatten direkt in den Raum abgegeben, ebenso wird sie im Ziegelboden gespeichert. Mit der Sanierung des Orangeriegebäudes in den 1990er Jahren wurde das östliche Drittel der 180 m langen Pflanzenhalle abgetrennt und wird seither als Veranstaltungsraum genutzt und separat beheizt. Die restlichen 1200 m² werden immer noch mit der Rauchkanalheizung temperiert.
Mediterrane Pflanzen sind so genannte Kalthauspflanzen. Ziel ist, dass sie in eine Winterruhe eintreten und ihr Wachstum einstellen. Daher werden Orangeriegebäude im Winter nur auf etwa fünf bis zehn Grad Celsius temperiert. Wenn die Außentemperaturen unter null Grad Celsius fallen, wird das Schönbrunner Orangeriegebäude beheizt. In der Regel ist es ausreichend, wenn nur ein Ofen beheizt wird. Erst bei sehr starken Frösten müssen mehrere Öfen betrieben werden.
Im Orangeriegebäude in Schönbrunn war es in diesem Winter zum Jahresende soweit und in einer Heizkammer wurde das Feuer entzündet. Dafür werden große Holzscheite, die aus dem Schlosspark Schönbrunn stammen und im Orangeriegebäude gelagert werden, zu einer der Kammern gebracht. Zunächst muss im Kanal ein Lockfeuer entfacht werden, um die kalte Luft aus dem Kanal entweichen zu lassen. Erst danach wird im Ofen das Feuer mit kleineren Scheiten entzündet. Brennt das Feuer, werden die großen, einen Meter langen Holzscheite in die Glut gelegt. Während der Heizperiode hat jeweils ein Gärtner oder eine Gärtnerin Nachtdienst, um alle fünf bis sechs Stunden Holz nachzulegen.
Aufgrund der Trägheit des Gebäudes und der gleichmäßigen Temperierung durch die Rauchkanalheizung kann auch in Perioden starken Frosts mit wenig Aufwand die Temperatur in der Pflanzenhalle problemlos gehalten werden. Sobald die Temperaturen im Frühjahr steigen und keine Frostperioden mehr zu erwarten sind, lässt man das Feuer ausgehen. Die im Gebäude vorhandene Restwärme reicht aus, um die Temperatur zu halten. Auch die nun intensivere Sonneneinstrahlung auf die nach Süden ausgerichtete Fensterfront erwärmt das Gebäude.
Isabella Kanka und Claudia Gröschel