Brasilien war seit der Entdeckung durch einen portugiesischen Seefahrer im Jahr 1500 eine Kolonie Portugals. Aus dem rohstoffreichen Land wurden rasch Edelmetalle, Edelsteine, tropische Hölzer sowie Nutzpflanzen nach Portugal gebracht und von hier weiterverkauft. Um sich die lukrativen Einnahmen zu sichern, hatten die portugiesischen Kolonialherren die brasilianischen Häfen weitestgehend für Ausländer gesperrt. So gelangten für lange Zeit kaum Nachrichten aus dem Land. Erst als die Niederlande in den Jahren 1637 bis 1654 den Nordosten des Landes kontrollierten, kamen vermehrt Informationen über Brasilien nach Europa.
Als 1807 Napoléon Bonaparte mit der französischen Armee Portugal besetzte, flohen die portugiesische Königsfamilie, viele Adelige und Staatsbedienstete nach Brasilien. In der Folge wurden die brasilianischen Häfen für Ausländer geöffnet. Forschungsreisende und Abenteurer kamen und berichteten in europäischen Tageszeitungen und Feuilletons über das fremde Land.
Das interessierte Publikum in Europa nahm diese Berichte begeistert auf. Bis auf die Küstenregionen waren jedoch noch weite Teile des Landes unbekannt.
Politisches Kalkül
Das an Ressourcen reiche Land und neue Expansionsmöglichkeiten weckten das Interesse der Mächtigen in Europa. Am Kaiserhof in Wien mussten für die Töchter Kaiser Franz II./I. machtpolitisch passende Verbindungen gesucht werden und in Brasilien befand sich der Thronfolger im heiratsfähigen Alter. Staatskanzler Fürst Metternich fädelte die Vermählung zwischen Erzherzogin Leopoldine und Dom Pedro de Bragança ein. Erstmals wurde eine europäische Prinzessin nach Übersee verheiratet. Man erhoffte sich eine engere Verbindung des 1815 gegründeten Vereinigten Königreiches von Portugal, Brasilien und Algarve an Österreich sowie den direkten Zugriff auf die reichen Naturvorkommen Brasiliens. Der Hof war unter anderem an Nutzpflanzen interessiert, die in den Hofgärten und Glashäusern kultiviert werden sollten, um unabhängig von Exporten zu werden.
Die Reise der Braut nach Brasilien wurde dann für eine große Forschungsreise genutzt, um lebende Pflanzen und Tiere, Hölzer, Mineralien und kunsthandwerkliche Gegenstände für die kaiserlichen Sammlungen in Wien zu erhalten. Als Leopoldine am 13. Mai 1817 in Abwesenheit des Bräutigams in der Augustinerkirche in Wien heiratete, befanden sich die Forschungsreisenden bereits auf Schiffen nach Übersee.
Die Leopoldinische Expedition
Nicht nur die Heirat der Erzherzogin hatte Fürst Metternich organisiert, sondern auch die große Forschungsexpedition. Von Wien aus übernahm Karl von Schreibers, Direktor des kaiserlichen Hofnaturalienkabinettes, die wissenschaftliche Leitung. Dem naturwissenschaftlich interessierten Kaiser Franz II./I. war diese Reise so wichtig, dass er weder finanzielle noch zeitliche Grenzen setzte. Mit ausführlichen Instruktionen und langen Wunschlisten der mitzubringenden Objekte im Gepäck machte sich eine Gruppe von Botanikern, Zoologen, Präparatoren und Malern aus Wien, Prag, München und Florenz unter der Leitung des Prager Professors für Botanik Johann Christian Mikan bereits vor dem Hochzeitstermin auf den Weg nach Brasilien. Mit dabei war auch der k. k. Hofgärtner Heinrich Wilhelm Schott. Er sollte vor allem Nutzpflanzen sammeln und in die kaiserlichen Botanischen Sammlungen nach Wien bringen. Am 9. April 1817 stachen im Hafen von Triest die beiden Schiffe Austria und Augusta in See. Die Überfahrt war von Unwettern und Widrigkeiten gezeichnet, so dass die gemeinsame Überfahrt der Schiffe bereits in der Adria scheiterte und sie mit großem zeitlichen Abstand in Brasilien ankamen. Auch sonst waren die Umstände der Expedition schwierig. Die Naturforscher litten unter dem ungewohnten Klima und unter Krankheiten, erlitten schwere Verletzungen und mussten 1821 das Land wegen politischer Unruhen viel früher als geplant verlassen. Nicht zuletzt erschwerten Kompetenzstreitereien unter den Naturforschern die gemeinsame Reise, so dass man in kleinen Gruppen das Land erforschte.
Sammeln im Überfluss
Trotz allem war die Expedition außergewöhnlich erfolgreich. Unglaubliche Mengen an lebenden Pflanzen und Tieren, Samen, Hölzern und Mineralien wurden regelmäßig mit Handelsschiffen nach Wien geschickt. Lebende Tiere kamen in die Menagerie im Schlosspark Schönbrunn, lebende Pflanzen wurden in den kaiserlichen Glashäusern in Schönbrunn, im Hofburggarten und im Kaisergarten am Rennweg untergebracht. Die Anzahl an Mineralien, Hölzern, Muscheln, Präparaten und anderem war bald so groß, dass das Naturalienkabinett in der Hofburg die Exponate nicht mehr aufnehmen konnte. 1821 wurde daher das Harrach’sche Palais in der Johannesgasse angemietet und hier das Brasilianische Museum eingerichtet, das bis 1836 bestand.
Heinrich Wilhelm Schott
Der Hofgärtner aus dem Belvedere war zunächst damit beauftragt, an der österreichischen Botschaft in Rio de Janeiro einen Akklimatisationsgarten einzurichten. Nachdem aus Wien der Gartengehilfe Josef Franz Schücht zur Unterstützung Schotts in Rio angekommen war, überließ Schott diesem die Betreuung des Akklimatisationsgartens und bereiste selbst das Hinterland. So wie alle anderen Forschungsteilnehmer konzentrierte sich Schott nicht nur auf sein eigenes Fachgebiet, sondern versuchte alle anderen mit abzudecken. Er lernte die Sprachen der indigenen Bevölkerung, um von ihnen mehr über die Kulturbedingungen und die Verwendung der Pflanzen zu erfahren. Er sammelte nicht nur 10.000 lebende Pflanzen, sondern fast 17.000 Insekten und fing sogar ein Krokodil für die Schönbrunner Menagerie. Es lebte eine Zeit lang im Akklimatisationsgarten, verstarb jedoch auf der Überfahrt. Das präparierte Tier gelangte dann ins Naturalienkabinett.
Ein neues Forschungsthema
Schotts Plan war ursprünglich, sich der Erforschung von Palmen, Begonien und Bromelien zu widmen. Die große Familie der Aronstabgewächse, die zwar fast auf der gesamten Erde vorkommen, ihr Hauptverbreitungsgebiet jedoch in den Tropen haben, zog Schott schließlich in ihren Bann. Er wurde zum Erstbeschreiber zahlreicher aus dieser Pflanzenfamilie stammenden Gattungen und Arten. Auch erarbeitete er eine Systematik der Aronstabgewächse, die neben der später aufgestellten Systematik des Botanikers Adolf Engler bis heute gültig ist. Schönbrunn wurde so zu einem Zentrum der botanischen Forschung und Schott aufgrund seiner Qualifikationen und seiner internationalen Reputation 1845 zum Hofgartendirektor ernannt. Als 1859 Erzherzog Maximilian zu einer mehrmonatigen Sammelreise nach Brasilien aufbrach, beauftragte Schott den mitreisenden Hofgärtner Franz Maly, sich besonders den Aronstabgewächsen zu widmen. Wieder kamen zahlreiche neue Aronstabgewächse in die Botanischen Sammlungen nach Schönbrunn.
Pflanzenschätze in Schönbrunn
Bis heute beherbergen diese Sammlungen große Bestände brasilianischer Pflanzen. In den Glashäusern des Belvederegartens und im Schlossgarten Schönbrunn werden sie kultiviert und im Schönbrunner Palmenhaus sowie bei Sonderausstellungen präsentiert. Diese Pflanzen sind bedeutender Bestandteil des historischen Erbes. Gleichzeitig stehen sie für Forschungs- und Lehrzwecke zur Verfügung. In Kooperationen mit Universitäten und Botanischen Gärten werden der Forschung fremdländische Pflanzen zur Verfügung gestellt, ohne an weit entfernte Naturstandorte reisen zu müssen. Am Naturstandort gefährdete Pflanzen werden in den Botanischen Sammlungen kultiviert, vermehrt und können bei Bedarf ausgewildert werden. Über den Internationalen Samentausch, in dem weltweit etwa 400 Botanische Gärten Mitglied sind, werden Samen aus den Botanischen Sammlungen der Österreichischen Bundesgärten zu nichtkommerziellen Zwecken befreundeten Institutionen zur Verfügung gestellt.
Brasilien im Palmenhaus
In der diesjährigen Sonderausstellung im Großen Palmenhaus im Schlosspark Schönbrunn wird die spannende Geschichte der Leopoldinischen Expedition erzählt und erläutert, welche Auswirkungen diese Forschungsreise bis heute auf die Botanischen Sammlungen hat. In zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen können sich die Besucherinnen und Besucher ein Bild dieser abenteuerlichen Reise machen. Lebende Pflanzen aus den Botanischen Sammlungen vermitteln einen Einblick in die umfangreichen brasilianischen Bestände. Und in einem Quiz erfahren kleine und große Interessierte viele Details über in Brasilien kultivierte Nutzpflanzen, die seit langem unseren Speisezettel ergänzen, in der Medizin verwendet oder im Handwerk eingesetzt werden.
Claudia Gröschel