Wie muss es erst gewesen sein, wenn man als junger Gärtner auf Order des Kaisers wochenlang mit dem Schiff nach Übersee segelte, um in Regionen, die noch auf keiner Landkarte verzeichnet waren, nach möglichst unbekannten Pflanzen, Tieren und anderen Artefakten für die Sammlungen in Wien zu suchen? Ohne zu wissen, wo man landete, was einen dort erwartete und ob man jemals wieder nach Hause zurückkam?
Kaiser Franz I. Stephan, der die Regierungsgeschäfte eher seiner Gattin Maria Theresia überließ und sich lieber seinen naturwissenschaftlichen Interessen widmete, beauftragte 1754 den aus Leiden stammenden ehemaligen Medizinstudenten Nikolaus Joseph Jacquin eine Reise nach Westindien (Amerika) zu organisieren, um für die kaiserlichen Gärten in Schönbrunn Pflanzen mit wohlriechenden Blüten und essbaren Früchten, für die geplante Menagerie exotische Tiere sowie Mineralien und Fossilien für seine naturwissenschaftlichen Sammlungen nach Wien zu bringen. Der Kaiser stellte Jacquin den ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Gärtnergehilfen Richard van der Schot sowie unbegrenzte Mittel zur Verfügung; in Italien sollte Jacquin noch zwei Vogelfänger anheuern. Auch im Hinblick auf die Reisedauer ließ ihm der Kaiser freie Hand. Jacquin bereitete sich sehr gewissenhaft über mehrere Monate auf die Reise vor. Wenige Tage vor seiner Abreise erhielt er im Dezember 1754 ausführliche schriftliche Instruktionen aus der Hand des Kaisers. Diese enthalten unter anderem genaue Angaben darüber, welche Pflanzen Jacquin und seine Begleiter sammeln, wie diese verpackt und dann nach Europa gebracht werden sollten.
Anders als bei den großen Entdeckungen des späten 15., des 16. und 17. Jahrhunderts existierten nun um 1750 gut organisierte Handelsrouten, so dass Forschungsreisenden mehr oder weniger regelmäßig verkehrende Schiffe zur Verfügung standen. Auch gab es an zahlreichen Orten in Übersee Niederlassungen der großen Handelsorganisationen. Mit kaiserlichen Empfehlungsschreiben versehen, fand sich Unterstützung bei örtlichen Gouverneuren und Gesandten. Viele Gebiete waren bereits erforscht und kartographisch dokumentiert, Beschreibungen früherer Forschungsreisender waren bekannt. Man hatte ungefähre Vorstellungen, was einen erwartete. Dennoch waren es jahrelange Reisen mit vielen Unbekannten und großen Gefahren.
Bereits in Europa traten bei dieser ersten Forschungsexpedition im Auftrage des Kaisers Schwierigkeiten auf. In Livorno mit einem Schiff gestartet, strandeten Jacquin und seine Begleiter nach einem Sturm bereits in Toulon und mussten mit der Postkutsche weiter nach Marseille fahren. Von dort schifften sie sich im April 1755, vier Monate nach ihrer Abreise aus Wien, Richtung Martinique ein. Die Seereise dauerte 69 Tage. Das waren Tage voller Ungewissheit, die Reisenden waren den Naturgewalten auf See völlig ausgeliefert, an Deck herrschte drangvolle Enge, es gab Mangel an Wasser und Nahrungsmitteln. Die Folgen waren Krankheiten und manch einer überlebte diese Überfahrten nicht. In Martinique konnte Jacquin auf die Unterstützung von Verwandten seines Vaters zählen. Nachdem er sich und seine kleine Reisegruppe mit allem, was sie für den Alltag und das Sammeln benötigten, ausgestattet hatte, Diener angeheuert und Sklaven gekauft waren, zogen sie ein Jahr lang kreuz und quer über die gesamte Insel, um den kaiserlichen Auftrag auszuführen. Danach durchquerten sie weitere Inseln in der Karibik, den Norden des heutigen Venezuela und Kolumbien. Basislager wurden auf Martinique und Curaçao eingerichtet, wo die gesammelten Pflanzen und Tiere versorgt und, sobald sich eine Möglichkeit auf einem Handelsschiff bot, nach Wien geschickt wurden. Van der Schot begleitete bereits 1756 einen Transport nach Wien. Jacquin sollte erst im Juli 1759 wieder am Ausgangsort eintreffen.
Die Ausbeute an Pflanzen, Tieren und Mineralien überstieg alle Erwartungen. Die Belastungen, die die Forschungsreisenden dafür in Kauf nehmen mussten, sind unvorstellbar. Dass sie unter der Hitze litten, Nahrung nicht vertrugen, es an sauberem Wasser fehlte oder sie von lästigen Insekten gequält wurden, gehörte wohl noch zu den kleineren Übeln. Sie erkrankten an Gelbfieber und Ruhr, wurden von Piraten überfallen, Herbare – Sammlungen getrockneter Pflanzen – wurden von Termiten gefressen und schließlich fehlten Schiffe, auf denen die Sammlungen nach Europa transportiert werden konnten.
In Schönbrunn wurden die Pflanzen in den ab 1754 errichteten Glashäusern des Holländischen Gartens untergebracht, die Tiere in der Menagerie. Jacquin publizierte die Ergebnisse dieser Expedition in mehreren Veröffentlichungen, wurde Professor an der medizinischen Fakultät und 1774 in den Adelsstand erhoben.
Große Teile der Pflanzen fielen jedoch schon im Winter 1780 einem Kulturfehler zum Opfer. Nachdem ein Gärtner in einer kalten Nacht vergessen hatte, das große Glashaus zu heizen und am nächsten Tag, um seinen Fehler wett zu machen, umso stärker einheizte, überlebten viele Pflanzen diesen Temperaturschock nicht und gingen ein.
Wohl auch, um diesen Verlust auszugleichen, plante Kaiser Joseph II. erneut eine Expedition in die Karibik. Nach langwierigen Vorbereitungen und mehreren Planänderungen brachen im April 1783 die beiden Schönbrunner Gärtnergesellen Franz Boos und Franz Bredemayer, der Arzt Matthias Stupicz, der Maler Bernhard von Moll und der Professor für Naturgeschichte Franz Joseph Maerter nach Philadelphia auf. Sie durchforschten zunächst das südliche Nordamerika und durchstreiften dann den Golf von Mexiko und die Karibik in südlicher Richtung. Es scheint so, als seien den ungeheuren Strapazen der Reise nur die beiden Gärtnergesellen wirklich gewachsen gewesen. Stupicz und Moll reisten bald wieder nach Europa zurück. Da die Ausbeute an Pflanzen so umfangreich war, reisten die Gärtner mehrmals zurück nach Europa, um die lebenden Pflanzen und Tiere sicher nach Wien zu bringen. Franz Boos durchforschte schließlich auch den Süden Nordamerikas und kam im Sommer 1785 mit den gesammelten Pflanzen nach Wien zurück. Bredemayer und Schücht blieben noch weitere drei Jahre in der Karibik und kehrten Ende 1788 mit reicher Ausbeute nach Wien zurück.
Bereits 1782 hatte der Direktor des Königlich Botanischen Gartens auf Mauritius, Jean-Nicolas Céré, dem Kaiser in Wien Kisten voller Pflanzen aus seinem Garten geschickt. Der größte Teil dieser Pflanzen war verdorben angekommen. Der Wunsch, sie zu besitzen, war jedoch geweckt. Aufgrund der Erfolge Franz Boos‘ in Amerika, wurde er bereits im November 1785 nach seiner Rückkehr gemeinsam mit dem Gartengehilfen Johann Georg Scholl nach Südafrika, Mauritius und La Réunion geschickt. Auch hier hatten die beiden Gärtner bereits sehr unter der wochenlangen Schiffsreise zu leiden. Eine Epidemie brach unter Deck aus und forderte zahlreiche Todesopfer, so dass es für Boos und Scholl eine große Erleichterung gewesen sein muss, als sie im Juni 1786 am Kap der Guten Hoffnung von Bord gehen konnten. Beide Gärtner zeichnete großer Forschungsdrang und Sammelleidenschaft aus, sodass die Menge der zusammengetragenen Pflanzen und Tiere so groß war, dass Franz Boos 1789 sich alleine mit einem Teil der Schätze in Richtung Europa einschiffte. Scholl blieb noch weitere zehn Jahre in Südafrika, da aufgrund der großen Menge an Pflanzen und politischer Wirren die sofortige Rückfahrt nicht möglich war. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schickte er Samen und Blumenzwiebeln nach Wien und kehrte dann selbst erst 1799 mit den letzten Pflanzen und Tieren zurück.
All diese Hofgärtner zeichnete ein großer Abenteuergeist aus. Keiner von ihnen wusste, wann und vor allem ob sie jemals wieder nach Hause kommen würden. Alle bekamen für ihre jahrelangen Entbehrungen und ihre großen Erfolge die Anerkennung des Kaisers: Jacquin wurde geadelt, Richard van der Schot Direktor der Menagerie und des Holländischen Gartens, Franz Boos folgte ihm in dem Amt und wurde später Hofgartendirektor, dessen Position dann Franz Bredemayer übernahm. Johann Georg Scholl wurde Hofgärtner im Schlossgarten Belvedere.
Zahlreiche weitere Sammelreisen, Forschungsexpeditionen und sogar eine Weltumsegelung folgten zur Stillung des Wissensdrangs, des Wunsches der Vervollständigung der Sammlungen und im Wettlauf der Entdeckung immer fernerer und noch unentdeckter Regionen. Zu allen Expeditionen und Reisen können abenteuerliche und außergewöhnliche Berichte und Gegebenheiten geschildert werden.
Claudia Gröschel