Gstetten – Wildnis in der Stadt

(c) Leon Novak

Was sind Gstetten?
Eine wild blühende Wiese, ein undurchdringliches Gestrüpp und eine verlassene Baustelle. Alle drei haben eine Sache gemeinsam: sie könnten Gstetten sein. Gstette ist nämlich die Bezeichnung eines naturbelassenes Stück Lands, auch Stadtwildnis genannt. Diese Flächen müssen keine bestimmten Bedingungen erfüllen, sondern einfach nur in Ruhe gelassen werden, damit sich die Natur ungestört entfalten kann. Denn egal wo man sich nicht darum kümmert, die Natur findet ihren Weg zurück, auch wenn es länger dauern kann. Im Fall der blühenden Wiese heißt das: Kein gießen, düngen oder mähen. Unkrautvernichter kommen erst recht nicht zum Einsatz. Für den Wald gilt, totes Holz bleibt liegen, denn ist das Holz jemals wirklich tot, wenn darin so viele kleine Tiere leben? (Der Wald zählt zwar nicht direkt als Gstette, jedoch kann man ihn auch „unbeaufsichtigt“ lassen und somit der Natur ihren Freiraum lassen) Es gibt neben diesen Beispielen so viele mehr mögliche Formen von Gstetten, zu viele, um alle aufzuzählen, aber sie bilden eine Grundlage für Verständnis. (Vgl. gstettnfuehrer-2020.pdf, 2020)

Gstetten in Wien
Wenn man an eine Stadt denkt, kommt einem sicher nicht als erstes Natur in den Sinn. Jedoch gibt es in Wien alleine neben Parks und Wiesen unzählige Gstetten (Mehr als 50 % Wiens besteht aus Grünflächen!(Vgl. Wiener Wildnis, o. J.)), da diese überall entstehen können. Diese Gstetten sind weniger bekannt als gepflegte Parks und das, obwohl einige zentral und öffentlich zugänglich sind. Die meisten dieser naturbelassenen Wildnisse sollten nicht betreten werden, um die Natur nicht zu stören, auch wenn es bei manchen möglich ist. (Vgl. gstettnfuehrer-2020.pdf, 2020)


Ein Beispiel für ein naturbelassenes Gebiet gibt es mitten im Augarten im 2. Bezirk. Hier ist eines von den Waldquartieren, obwohl man die eigentlich alle nicht betreten sollte, mit Wildzaun und Pfählen aus recyceltem Material eingezäunt, um dies auch sicherzustellen. Dieses Gebiet wurde im Frühling 2008 unter Bundesminister Pröll angelegt und seitdem nicht gepflegt und war somit sehr naturnahe und wild (siehe Bild). Diesen Winter musste es jedoch aufgeräumt werden, damit die Sicherheit für die anliegenden Wege garantiert werden konnte. Dies hat den Plan für dieses Stück Wald jedoch nicht verändert, denn es soll jetzt wieder sich selbst überlassen werden, damit Pflanzen und Tiere sich dort wieder wohlfühlen können. In diesem Gebiet befindet sich unter anderem ein Dachsbau und man kann viele Eichhörnchen beobachten, da diese dort nicht von Menschen oder umherlaufenden Hunden gestört werden. Aufgrund dieser Ruhe stellt dieses Gebiet einen Rückzugsort für viele Tierarten dar und dient vielen auch als Lebensraum.

Vor- und Nachteile von Gstetten
Einige Vorteile wurden bereits genannt, aber vollständigkeitshalber werden sie hier ebenfalls aufgezählt. Die primären Vorteile gelten den Pflanzen und Tieren. Dadurch, dass die Gstetten nicht gemäht (oder anderwärtig bearbeitet) werden, können alle Pflanzen dort ihre Samen vollständig ausbilden, da sie zuvor nicht niedergemäht werden. Hier können so auch Pflanzen überleben, die länger brauchen, sich zu entwickeln. Wenn die Gstette für mehrere Jahre bestehen bleibt, können sich auch Sträucher entwickeln und sogar Bäume anfangen zu wachsen. Dieses Gebiet mit so vielen Pflanzen bietet, je nach Größe und Lage, den unterschiedlichsten Tieren Unterschlupf. Während schon kleine Gebiete für Mäuse, Würmer, Insekten und kleine Vögel Zuflucht bieten, können größere Stadtwildnisse auch Füchsen, Dachsen und anderen Tieren ein zu Hause sein. Weitere Vorteile, die auch Menschen betreffen, ist eine kühlere Luft, da die Pflanzen die Wärme nicht so sehr speichern, wie Stein und Gebäude und zusätzlich die Luft auch noch frischer machen. Weiters sind die Gstetten schon anzusehen, vor allem wenn im Frühling alle Blumen wild durcheinander blühen und bieten somit eine Abwechslung zum hektischen Alltag. (Vgl. Endbericht_StartClim_H.pdf, 2022)


Leider gibt es hier, wie auch überall sonst, keine Vorteile ohne Nachteile. Diese betreffen vor allem die Gesundheit von Anrainern. Da sich alle Arten von Tieren wohlfühlen, gilt das natürlich auch für Zecken, wodurch die Gefahr eines Zeckenbisses deutlich steigt. Zusätzlich entstehen deutlich mehr Pollen, welche sehr unangenehm für Allergiker sind. Weitere Probleme stellen „Unkräuter“ und invasive Arten dar. Da sich hier jede Pflanze gut verbreiten kann, vor allem solche, die schnell wachsen und oft unerwünscht sind, werden Gärten in der Nähe stärker von Unkraut befallen. Gleichzeitig können sich invasive Arten besser verbreiten und somit einheimische effizienter verdrängen. (Vgl. Endbericht_StartClim_H.pdf, 2022)

Die öffentliche Meinung
Da nun alle wichtigsten Fakten, Vor- und Nachteile bekannt sind, kann man sich nun ansehen, was die Bewohner Wiens von Stadtwildnis halten. Das Klimaforschungsprogramm StartClim hat in Wien eine Befragung durchgeführt, bei welcher festgestellt wurde, ob Bewohner dafür oder dagegen sind 50 % der gepflegten Rasenflächen in einem Park bzw. freigewordenes Areal in Stadtwildnis umzuwandeln. Dabei wurden Geschlecht, Alter, Herkunft und Bildung berücksichtigt. In der Befragung ging es auch um drei verschiedene Stadtwildnisarten, die entstehen würden, wobei eine der drei Optionen, nämlich Stadtbrache, deutlich weniger angesehen ist (die anderen zwei Arten sind Stadtwald und Naturwiese). Wichtig ist jedoch, dass die Umwandlungen deutlich über 50 % Akzeptanz finden. Da die Befragung sehr detailliert und öffentlich zugänglich ist, wird hier nicht genauer darauf eingegangen. (Gefunden werden kann sie hier: Endbericht StartClim)


Schlussworte
Die Verwandlung städtischer Flächen in Wildnis-Oasen bringt viele Vorteile mit sich und wird von der Bevölkerung auch weitgehend akzeptiert. Die Bewohner Wiens können sich glücklich schätzen, dass es so viel Natur gibt, sowohl in Form von Parks als auch wilden Gstetten, welche zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen. So viel Grünen mitten in der Stadt – ein Privileg, dass es nicht überall gibt. Daher ist es auch kein Wunder, dass Wien regelmäßig als die lebenswerteste Stadt anerkannt wurde.

Literaturverzeichnis

Endbericht_StartClim_H.pdf. (o. J.). Abgerufen 20. März 2025, von https://wua-wien.at/images/stories/publikationen/Endbericht_StartClim_H.pdf

Gstettnfuehrer-2020.pdf. (o. J.). Abgerufen 20. März 2025, von https://wua-wien.at/images/stories/publikationen/gstettnfuehrer-2020.pdf

Wiener Wildnis. (o. J.). Abgerufen 20. März 2025, von https://wienerwildnis.at/wienerwildnis/21-urbane-natur-ist-unser-lebensraum

Rechtliche Grundlagen

Dieses Medienprojekt wurde von Einsatzstellen, Teilnehmenden des Freiwilligen Umweltjahr FUJ und der Jugend-Umwelt-Plattform JUMP im Rahmen des FUJ-Lehrgangs gemeinsam umgesetzt (www.fuj.at).